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hedi
zuber 1916 - 1996
Einige
Zeit darauf, um 1980 herum, begann auch sie zu zeichnen. Allerdings
nicht in der Art des Jakob Greuter, sondern - wie kann man es anders
formulieren - halt ganz a la Hedi Zuber. Weder der Kübelleerer
noch die
Näherin wären in der Lage gewesen, anders zu zeichnen und
zu malen, als es
ihnen und nur ihnen allein gegeben war: Greuter fein und zart, schwarzweiß
oder ganz sanft koloriert, Hedi Zuber mit großzügigen Formen
und meist
intensiv kräftigen, fast plakativen Farben. "Es" zeichnet,
"es" malt.
Bei
Jakob Greuter, den er gelegentlich aufsuchte, stieß dann der
Außenseiter-
Maler Erich Staub auf die Malerin, die eben erst zu arbeiten begonnen
hatte,
und vermittelte ihr Anfang der achtziger Jahre auch die erste und
bisher
einzige Ausstellung in einem St.Galler Einkaufszentrum. Staub hat
ihr seitdem
immer wieder Bilder abgekauft und etliche davon weiterzuverkaufen
versucht. Auch der Sammler Josef John in Wittenbach wurde auf Hedi
Zuber
aufmerksam, und sie erhielt im Laufe der Jahre einen stolzen Platz
in seiner
bedeutenden Naiven-Sammlung.
"Man
glaubt, man sei dort"
Denn
die kleine Frau wagte sich an immer größere Formate, wurde
in ihrer
Handschrift und ihren Farbkombinationen immer kühner. Sie gibt
sich
zwar Mühe, dass alles "so präzis und sorgfältig
gearbeitet" sei "wie die
Hemdkragen", die sie früher in der Fabrik genäht hatte,
und sie legt Wert
darauf, ihre Menschen schön anzuziehen, jedem Mädchen auf
ihrem
"Kinderfest" einen prächtigen Blumenstrauß in
die Hand zu geben und jedem
der vielen Fenster einige neugierige Zuschauer zu platzieren. Einzelheiten
sind ihr wichtig: Die Frau, die hinfällt, derweil der Tascheninhalt
sich auf
die Strasse entleert - für die behinderte Frau ein Alptraum -,
oder der
sportlich-elegant gekleidete Mann mit dem Gesicht eines Boxerhundes,
der durch manches ihrer Bilder geistert. Einzelheiten aber auch wie
die
zahllosen Blümchen und Blättchen der filigranen Naturhecke,
die den ganzen
Bildhintergrund eines Vaterporträts überzieht.
Besonders
aber erstaunt, wie vielsagend Hedi Zuber Haltung und Gesichts-
ausdruck jeder einzelnen Gestalt gelingen. Diesen Menschen haftet
nichts von den Stereotypien gewisser Pseudonaiver an, die ihre Masche
im Bild um Bild wiederholen. Hedi Zuber ist zwar beileibe keine Analytikerin,
die tiefschürfende Menschenstudien betriebe. Und versucht man,
mit ihr
darüber zu diskutieren, so blickten ihre großen Sternaugen
völlig fassungslos.
Rein instinktiv erfasst sie die verschiedenen Charaktere. Ihre Menschen
bekommen Vitalität einzig, weil Hedi Zuber sie malt.
Das
ist auch, was ihre Bilder so lebendig machen. Sie staunt manchmal
selbst
und meint bewundernd: "Man glaubt gerade, man sei dort."
Es ist das größte
Kompliment, das sie sich selber macht, und zugleich der Realitäts-
und
Wirklichkeitsbeweis für ihre Werke. Dieser Realitätsbeweis,
für Hedi Zuber
von elementarer Bedeutung, ist zugleich eines der grundlegenden Merkmale
der naiven Kunst.
Während
des Mahlens übersteigt die kleine Malerin sich selbst. Es ist
der
Mahlprozess an sich, der sie beflügelt, der sie abfahren lässt
wie einen
Schnellzug. Der sie zwingt, die ganze Nacht hindurch weiterzuschaffen,
wenn
sie ein Bild unbedingt fertig haben will. Da packt sie trotz der vielen
er-
zählirischen Einzelheiten größere Dimensionen an,
wagt sich an schwierigste
Situationen, die sie bildnerisch bewältigt. Da gelten einzig
noch die Gesetze
der Bildwerdung.
In
der Menschenmenge können die einzelnen um das Zehnfache an Größe
variieren; sie marschieren über die Dächer und durch die
Luft in die
Stadt hinein; sie beugen sich über Bäume und Häuser,
um in die "Stadt im
grünen Ring" (wie St.Gallen sich nennt) hinein zu blicken.
Und im Inneren
der Kirche wogt die Architektur barocker als barock, theatralisch,
dramatisch.
Diese kirchliche Welt ist für Hedi Zuber von großer Bedeutung.
Von innen
und von außen hat sie Kirchen und Kathedralen immer wieder gemalt;
es
sind für sie die Orte größter Festlichkeit. Sie hat
mir erzählt, einer ihre
sehnlichsten Wünsche wäre, das Glockengeläute der "wunderbaren
Kirche
von Einsiedeln" auf Kassette aufzunehmen "und auch sämtliche
Töne in
der Kirche drin; wie die Schwestern af den Bänken knien und beten
und
singen.... Das würde ich dann den ganzen Tag bei mir in der Wohnung
spielen lassen."
[quelle:
Simone
Schaufelberger-Breguet]
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